Geht-doch-Manifest

für die Förderung des Fußverkehrs in Bremen

Laut einer Studie der Universität Kassel erhält der Autoverkehr in Bremen pro Einwohner und Jahr einen Zuschuss von 156 Euro, der ÖPNV 115 Euro, der Radverkehr 9,3 Euro und der Fußverkehr 16 Euro . Obwohl Bremen etwas besser abschneidet als andere Kommunen, muss von einer starken Subventionierung des Autoverkehrs gesprochen werden.

In der Koalitionsvereinbarung der Bremer Koalition ist eine Vervierfachung der Mittel des Radverkehrs vereinbart worden. Das ist richtig und überfällig. Aber der Fußverkehr ist in vielen Planungen noch immer eine fast „vergessene Verkehrsart“. Ganz zu Unrecht: Zu-Fuß-Gehen ist unsere natürliche Fortbewegung, die förderlich für unsere Gesundheit, die Umwelt, die Kommunikation der Menschen und die Stadtentwicklung ist. Sie ist auch eine vergleichsweise kostenarme Mobilitätsart und erreicht im Gegensatz zum Autoverkehr positiven volkswirtschaftlichen Nutzen, d.h. – wie im Falle des Fahrrades – die Gesellschaft erhält mehr gesellschaftlichen Nutzen durch den Fußverkehr, als sie für seine Förderung ausgibt.

Fuß- und Radverkehr sind deutlich unterfinanzierte und besonders förderungswürdige städtische Mobilitätsarten. Der Nachholbedarf in Sachen Flächen und Finanzmittel über Jahrzehnte ist enorm. Das bestätigt auch die Kasseler Studie. Um den Fußverkehr nachhaltig zu fördern, ist er der Schwerpunkt der diesjährigen Europäischen Mobilitätswoche.

Der Fußverkehrsanteil ist in Bremen etwa so hoch wie der des Radverkehrs (Laut Bremer Verkehrsentwicklungsplan 2025: 21% Fuß, 25% Rad, S. 31). In einer Stadt der kurzen Wege wie Bremen ist das Zu-Fuß-Gehen besonders sinnvoll und einfach. Der Fußverkehr ist eine der vier eigenständigen Verkehrsarten im Bremer Verkehrsentwicklungsplan 2025. Insgesamt ist der Fußverkehr mehr ins politische und gesellschaftliche Bewusstsein gerückt: In den Programmen der Parteien zur Bürgerschaftswahl ist der Fußverkehr nicht mehr weitgehend ignoriert worden, wie in den Jahren zuvor. Und an einigen Stellen sind die Flächen für den Fußverkehr vergrößert worden. Die Knochenhauerstraße ist teilweise Fußgängerzone. In der Parkallee und am Herdentorsteinweg wurde eine Neuordnung der Verkehre zugunsten einer großzügigen Verbreiterung der Fußwege genutzt. In der Martinistraße ist dies auch geplant. Bei größeren Straßenumbaumaßnahmen, wie in der Münchener Straße und der Hartwigstraße wurde konsequent auf Barrierefreiheit geachtet.

Aber diesen positiven Ansätzen stehen negative gegenüber: Auch in Bremen fristet der Fußverkehr ein Mauerblümchendasein. Die Flächen für den Fußverkehr sind in den vergangenen Jahrzehnten gerade in den Quartieren sukzessive abgebaut worden. Vordergründig ist dafür der stark gewachsene Autoverkehr verantwortlich, der immer mehr Parkraum beansprucht. Die Unsitte des eigentlich nicht erlaubten aufgesetzten Parkens führte dazu, dass Gehwegbreiten und Barrierefreiheit massiv eingeschränkt wurden.

Die Qualität der Fußwege ist stellenweise verbesserungswürdig. Zwar ist die Sicherheit des Fußverkehrs in den Kreuzungsbereichen verbessert worden, aber parkende Autos beeinträchtigen diese Effekte merklich. Die Querungssituation von Fußgänger*innen hat sich an vielen Stellen verbessert, aber es sind große Mängel erkennbar. Konflikte mit auf Gehwegen fahrenden Radfahrer*innen sind wegen Mängel in der Radinfrastruktur deutlich erkennbar. Hier muss aber betont werden, dass diese nicht das Hauptsicherheitsproblem für Fußgänger*innen sind.

Das größte Manko der Fußverkehrsförderung ist die keineswegs ausreichende personelle und finanzielle Ausstattung sowohl der Fußverkehrsförderung wie auch der Verkehrsüberwachung. Es gibt bisher noch keinen eigenen Fußverkehrsetat. Und die personelle Ausstattung des Bereiches Nahmobilität im Verkehrsressort ist noch nicht ausreichend. Mit 23 Verkehrsüberwacher*innen kann eine ebenso umfassende und sichere Organisation des ruhenden und fahrenden Verkehrs nicht gewährleistet werden.

Folgende Ziele sind für die Förderung des Fußverkehrs besonders wichtig:

  • Vision Zero: Keine Fußgänger dürfen verletzt werden oder zu Tode kommen. Unfallschwerpunkte und Angsträume entschärfen.
  • Kreuzungsbereiche von parkenden Autos freihalten, aufgesetztes Parken reduzieren
  • Flächendeckendes Parkraummanagement schaffen, dabei sind der Schutz der Gehwege vor Beparken, die Reduktion von auf ihm fahrenden Radfahrer*innen und die gute Sichtbarkeit der Kreuzungs- und Querungsbereiche vorrangig.
  • Die Anteile des Fußverkehrs als auch der anderen Träger des Umweltverbundes wie des öffentlichen Nahverkehrs und des Radverkehrs sowie  dem Carsharing müssen deutlich erhöht werden. Der Autoanteil muss merklich gesenkt werden.
  • Barrierefreiheit der Verkehrsräume herstellen
  • Eine Raumplanung für Fußgänger*innen stärken und Straßen von außen nach innen planen.
  • Tatsächliche Gleichberechtigung und Barrierefreiheit der Nutzer*innen im öffentlichen Raum schaffen durch eine Strategie der vernetzten Mobilität und mehr Bewegungsraum für Fußgänger.
  • Die Aufenthalts- und Freiraumqualität für Fußgänger*innen durch Grün, Wasser, Licht, und Bänke erhöhen.
  • Den Lärm mindern und die Luftqualität verbessern.
  • Eine Kultur des Gehens/Flanierens fördern.
  • Bewegungsangebote steigern, beispielsweise durch Bewegungsparcours.
  • Mängel und Barrieren für Fußgänger*innen reduzieren, d.h. Mindeststandards mit Gehwegbreiten von 2,50m schaffen und barrierefreie Oberflächen bei Neu- oder Umbauten konsequent und auch im Bestand sukzessive herstellen.
  • Multimodale Verknüpfungen mit ÖPNV, Radverkehr, Leihsystemen, Carsharing stärken, das heißt komfortable und attraktivere Umsteigmöglichkeiten schaffen und stärken.
  • Sichere Wege mit kurzen Querungen schaffen,
  • Geschwindigkeit des motorisierten Individualverkehrs deutlich reduzieren.
  • Bei Baustelleneinrichtungen die Belange des Fuß- und Radverkehrs vorrangig beachten
  • Nach Möglichkeit eine Trennung des Fuß- und Radverkehrs herstellen. Fuß- und Radverkehr haben Konflikte, sind jedoch natürliche Partner und müssen stärker integriert geplant werden.

Zur Erreichung dieser Ziele fordern wir 12 Maßnahmen:

  • Die finanzielle Ausstattung des Fußverkehrs muss mit einem eigenen Fußverkehrsetat von mindestens 2 Millionen Euro pro Jahr verbessert werden.
    • Das Team Nahmobilität wird auf 10 Stellen erhöht und durch eine/n Fußverkehrsbeauftragte/n gestärkt.
    • Es muss eine Flächenumverteilung zu Lasten des Autoverkehrs geben. Dabei werden Fuß- und Radverkehr getrennt, wie bei den guten Beispielen Herdentorsteinweg, Parkallee und Martinistraße (geplant).
    • Die geplante Erhöhung des den Parkraum überwachenden Personals im Ordnungsdienst auf die Zielzahl von 100 muss rasch vorgenommen werden.
    • Die Ahndung von Gehweg- und Fahrradwegparken und des Parkens im Kreuzungsbereich ist ein Schwerpunkt der Verkehrsüberwachung des erweiterten Ordnungsdienstes.
    • Die Sicherheit des Fußverkehrs wird ein besonderes Augenmerk des integrierten Konzepts Verkehrssicherheit.
    • Es sollte mehr Tempo-30-Bereiche geben. Eine Regelgeschwindigkeit von Tempo 30 in Städten sollte auf Bundesebene unterstützt werden.
    • Wir fordern eine merkliche Ausweitung des Bewohnerparkens. Dabei wird das aufgesetzte Parken in diesen Bezirken unterbunden.
    • Wir fordern die Stärkung einer Raumplanung für Fußgänger*innen durch ein lückenloses und  flächendeckendes Fußwegenetz
    • Bei Neu- und Umbauten ist Barrierefreiheit prioritäres Ziel. Ermittelte Schwachstellen im Bestand werden sukzessive beseitigt. Die barrierefreie Umgestaltung der ÖPNV-Haltestellen muss forciert werden.
    • Fußgängerfreundliche Instrumente wie Spielstraßen, verkehrsberuhigter Einkaufsbereich oder temporäre Spielstraßen werden vermehrt eingesetzt. Neue Instrumente wie Schulstraßen oder Familienstraßen werden als Pilotversuche ausprobiert.
    • Der Gustav-Deetjen-Tunnel ist ein besonders krasses Beispiel für einen Angstraum und eine fußgänger- und fahrradunfreundliche  Straßenraumgestaltung:  In Sachen Barrierefreiheit ist er eigentlich eine Schande für eine barrierearme Stadt. Er muss auch zum Nachteil anderer Verkehrsarten entsprechend rasch umgebaut werden.

Bremen, den 16. September 2019

Unterzeichner:innen:

Allgemeiner Deutscher Fahrradclub – ADFC Bremen
Autofreier StadTraum Bremen e. V.
Bund für Umweltschutz und Natur – BUND Bremen
Forum Verkehrswende Neustadt
Fuss e. V. Bremen
Naturschutzbund – NABU Bremen
Verkehrsclub Deutschland – VCD Bremen